Fuji X-H1 IBIS (Visualisierte Linzer Klangwolke 2018)

Die Linzer Klangwolke im abendlichen Farbenrausch war eine gute Gelegenheit, die In-Body-Image-Stabilization (kurz IBIS) meiner neuen Fuji X-H1 einem ersten Praxistest zu unterziehen.

Um in einer abendlichen Umgebung ohne Blitz zu fotografieren braucht‘s im Wesentlichen nur zwei Voraussetzungen:

  1. ein möglichst lichtstarkes Objektiv und
  2. eine ziemlich ruhige Hand, um die kürzest mögliche Verschlusszeit bei minimalster ISO-Einstellung nicht zu verwackeln

Ersteres ist mit dem Fuji XF 90 f2 (ausreichend, aber nicht bravourös) erfüllt und den weitaus problematischeren zweiten Punkt reiche ich einfach mal an die IBIS-Funktionalität der Fuji-Kamera weiter. Also alles ganz easy.

So ganz (ver)einfach(t) war die Lichtsituation an diesem Abend dann aber doch nicht. Denn zum einen reflektieren die mit verschiedenen Farben beleuchteten Objekte unterschiedlich, andererseits kann auch die Beleuchtungsintensität ziemlich schwanken zB. bei einem pulsierenden Licht. Und drittens haben wir es hier mit extrem kontrastreichen Szenen zu tun, die entweder die Lichter „ausfressen“ lassen, wenn noch Zeichnung in den dunklen Bereichen vorhanden sein soll, oder aber die hellen Bereiche passen, dann „saufen“ jedoch dunkle Bereiche im tiefsten Schwarz ab. Bei statischer Szenerie ist dies einfacher zu handhaben, als bei dynamischen, wo in jenem Moment, in dem die Kamera die Belichtung gerade fertig eingemessen hat, in Wahrheit bereits eine ganz andere Beleuchtung vorherrscht – da lassen sich vorher beschrieben Effekte kaum vermeiden.

Aber zurück zum IBIS. Erstmals die Vorbereitung: einmal auf dpreview zu den kürzesten Verschlusszeiten beim Kamerareview der X-H1 mit noch akzeptablen Ergebnissen hinsichtlich Schärfe nachschlagen. Wenn 2 aus 3 Versuchen dabei scharf sein sollen, dann ist dieses Kriterium lt. Test auf dpreview mit einer Verschlusszeit von 1/30s und aktivem IBIS bei 135mm Brennweite (90mm auf 35mm Kleinbildformat umgerechnet) gerade noch erfüllt. Ruhige Hand hin oder her!
Im Normalfall, also ohne IBIS, würde ich beim XF 90 mit der Verschlusszeit nicht unter einem 1/160s fotografieren. 1/30s sind da also 2.5 Blendenstufen drunter – das dürfte für das IBIS-System machbar sein, oder? Verspricht Fujifilm uns Anwendern doch immerhin bis zu 5.5 Blendenstufen! Zudem soll lt. Test auf dpreview IBIS auch noch und mit längerbrennweitigen Objektiven deutlich besser funktionieren als mit kürzeren.
Ich bin beruhigt. Da habe ich ja dann wirklich gute Voraussetzungen für einen vergnüglichen Abend und bekomme zugleich noch gute einwandfreie Bilder ganz nebenbei. Alles paletti, oder?

Also, der Abend ist gelaufen, kann die Praxis nun die theoretischen Überlegungen bestätigen?

Nun, ich kann von ein paar Eindrücken berichten, welche die X-H1 selbst, das XF 90-Glas, als auch das Gesamtsystem betreffen. Hinsichtlich der ISO-Einstellung hatte ich, ausgehend von obig angeführten Überlegungen, ISO-Automatik mit 1/40s als kürzeste Verschlusszeit für ISO-Bereich 200 bis 3200 eingestellt. ISO 6400 wollte ich vermeiden, wie sich später herausstellen sollte, ein zu optimistischer Ansatz:

  • Das XF 90 f2 war von der Brennweite her genau passend, um das Geschehen von meinem Standpunkt aus gut ins Bild zu setzen. Man kommt nah genug ran und die 135mm (im KB-Format) entfalten bereits sehr gut die fotografische Verdichtung des Telebereichs.
    Fujifilm muss sich hier aber die Frage gefallen lassen, warum es beim XF 90 nicht für ein f1.4-Glas gereicht hat, wie es in Breite für das Kleinbildformat bei CaNikon und auch Drittanbietern (zB. Sigma4 Art) verfügbar ist? Das wäre immerhin ein ganze Blendenstufe an Zugewinn. Und der Aspekt eines dann auch noch günstigeren Preises bei CaNikon sei hier zumindestens mal angeführt.
    Auffallend – und für mich neu bei diesem Objektiv – waren die grünlichen Geisterbilder, die bei sehr hellen Motiven auftauchten. Dass dieser Effekt aus künstlerischer Sicht bei der Bildkomposition durchaus passen kann – am Beispiel meines Fotos der mit Neonstäben hell erleuchteten Taube – kann jeder für sich beurteilen, gutheißen oder verteufeln. Aus der technischen Beurteilung eines Glases heraus sind Geisterbilder jedoch ein klares Manko. Und auch ein paar satte, rautenförmige Blendenflecken (lens flares) tauchten auf – wobei das alles in Summe bei doch recht speziellen Lichtverhältnissen!

  • Das IBIS musste seine Dienste bis runter auf eine 1/5s verrichten, die Finsternis sprengte also klar meinen hinsichtlich ISO-Automatik und Objektiv vorgegebenen Rahmen. ISO 6400 hätten der Kamera sicherlich mehr Spielraum bei der Wahl einer kürzeren Verschlusszeit verschafft.
    So aber habe ich (nicht ganz freiwillig) Bilder mit 1/15s und 1/20s Belichtungszeit aufgenommen – das wären dann also wirklich die versprochenen 5 Blendenstufen voll ausgenutzt (1/160s runter zu einer 1/5s). Wie also sieht es nun aus mit der Schärfe bzw. der Verwackelungsunschärfe, welche IBIS nicht mehr zu kompensierten vermag?
  • Das bringt mich zum Punkt „Performance des Gesamtsystems“, denn wenn ich mir das unter Belichtungszeit 1/5s aufgenommene Bild ansehe, gibt es sehr wohl akzeptable Schärfebereiche, nur nicht dort, wo ich es haben wollte. Was andererseits darauf schließen lässt, dass die Qualität des Autofokussystems hier in die Beurteilung mitaufgenommen werden sollte. Ich tu mich hier auch retrospektiv ein wenig schwer genau rekapitulieren zu können, auf welches Objekt ich bei diesem Motiv zu fokussieren versucht habe.
    Ich habe auch einig andere unscharfe Bilder, die mit 1/30s bzw. 1/40s belichtet wurden – hier dürften ev. auch die komplexen Gitterstrukturen der Marionetten mit ihren tlw. vorhandenen Reflexionsflächen eine nicht zu unterschätzende Aufgabe für das AF-System dargestellt haben. Zur Info: die Größe des Messbereichs war jedenfalls auf das zweitkleinste Messfenster eingestellt. Hier hätte ich eventuell mit der nächstgrößeren Einstellung eine bessere Ausbeute erzielt?

Zur visuellen Beurteilung habe ich ein Bild mit 1/15s ausgewählt, welches für mich hinsichtlich Schärfe und Auflösung im Gutbereich liegt. IBIS liefert hier guten 3 Blendenstufen (1/160s à 1/80 à 1/40 à 1/20 à 1/15s). Aber macht euch selbst ein Bild 😉…

Als Conclusio kann ich – wie so oft im Leben – mit einem „es kommt drauf an“ abschließen. Meine Vermutung ist, dass ohne IBIS wohl deutlich weniger Fotos brauchbar wären, wenn überhaupt nur ein einziges akzeptabel scharf geworden wäre?

So kann ich dem IBIS-System selbst also einen Mehrwert attestieren, zumindestens im Bereich von zusätzlichen 2 bis 3 Blendenstufen, das passt für mich, ist nicht atemberaubend, bietet aber in Grenzsituationen genau jenen zusätzlichen Spielraum für die Fotografin und den Fotografen, der das Pendel dann zugunsten einer verwertbaren Aufnahme ausschlagen lässt. Auch wenn Fujifilms Marketing-Maschinerie bei der Bewerbung des System mit bis zu 5,5 Blendenstufen wieder etwas übertrieben hat. Allerdings bin ich mir auch sicher, dass Fujifilm via Kaizen & Firmwareupdates hier noch einige Verbesserungen im Laufe der Zeit einbringen wird. Der kleine Beigeschmack zur Verwendung von IBIS aber lautet, dass das System selbst ohne Wirkung bleibt, wenn der Autofokus in der Dunkelheit die gewünsche Präzision nicht liefert. Und hier haben hinsichtlich Zuverlässigkeit und Schnelligkeit die Vertreter der DSLRs wohl noch immer ein klein wenig die Nase vorne.

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