Boston Cambridge: Harvard & das MIT

Wie in meinem ersten Beitrag zu Boston bereits angeführt, war für mich die Gelegenheit, zwei der weltweiten TOP 3 Universitäten, nämlich Harvard und das MIT besuchen zu können, mit ausschlaggebend dafür, Boston im Vergleich zu NY den Sightseeing-Vorzug zu geben. Beide renommierte Universitäten lassen sich kommod gemeinsam kombinieren, sind sie doch mit einer gemeinsamen Subway – der Red Line in Richtung Alewife – verbunden bzw. nur zwei Stationen voneinander getrennt. Also einmal stadtauswärts und nördlich des Charles River ab nach Cambridge – eine eigene Stadt und trotzdem Vorort von Boston – und dann Exit Harvard genommen. Zugegeben, ich musste mich erstmal orientieren, denn das Gelände der Eliteuniversität Harvard ist gar nicht so klein, aber Dank Google Maps am Smartphone ist dieser Punkt recht rasch abgehakt. Und mit der extrem detaillierten 3D-Satellitenansicht macht sogar der virtuelle Spaziergang über den Campus von zuhause richtig Spaß. Harvard ist in Wirklichkeit nur die Dachmarke von mehreren, wirtschaftlich eigenständig agierenden Einheiten – die bekannteste ist wohl die HBS Harvard Business School, es gibt aber auch naturwissenschaftliche, medizinische, juristische und mit Design, Verwaltungs- und Gesundheitswesen befasste Institute. Zu den Osterfeiertagen gab es natürlich keinen Studienbetrieb am Campus der ältesten Universität der Vereinigten Staaten von Amerika, dafür umso ausgeprägteren, teilweise von den Fresh(wo)man – den Erstsemestrigen – geleiteten Besuchstourismus. Das erste, das mir als Europäer hier aufgefallen ist, dass der Großteil der am Campus anwesenden Besucher asiatischer Herkunft waren – auch daran kann das Renommee dieser Institution gemessen werden. Der Studentenschlüssel nach ethnischer Herkunft ergibt für Asien aber nur etwa 1/3 der Studierenden. Die Absolventenliste jedenfalls liest sich wie das Who-is-Who der (nationalen) Gesellschaft: Mark Zuckerberg, Theodore & Franklin Roosevelt, Natalie Portman, Matt Damon, Tommy Lee Jones, Michelle & Barack Obama, John F. Kennedy, Henry Kissinger, George W. Bush, Al Gore, Ban Ki-moon, Benazir Bhutto, Bill Gates, Michel Bloomberg, Leonard Bernstein, …, um nur einige aus den Bereichen IT, Politik, Schauspiel & Musik anzuführen. Der ummauerte Campus kann nur an bestimmten Stellen durch Schmiedeeisentore betreten werden, wirkt auf den ersten Blick für den Besucher offen und einladend, mit seinen roten Ziegelbauten aber eher schlicht und unspektakulär. 3 Gebäude, die sich mit einem kleinen Rundgang gut verbinden lassen, stechen für mich klar heraus (*1/*2/*3). Zuerst geht’s vom westlich gelegenen Johnston Gate aus direkt zur Statue des Namensgebers John Harvard, der als emigrierter Absolvent des englischen Cambridge (die nächste Namensspende in Reminiszenz an das good old europe) im benachtbarten Charlestown als Lehrer tätig war und nach seinem frühen Tod dem College von Cambridge Teile seines Vermögens sowie seine Bibliothek vermachte. Zu seinen Ehren erhielt das College sodann seinen Namen. Die Statue wird auch „Statue der 3 Lügen“ genannt, da Gründungsdatum, die Würdigung als Gründer (korrekt wäre Unterstützer) als auch das Abbild von John Harvard falsch sind. Egal, wir biegen einmal rechts-links ab und stehen dann vor der imposanten, tempelartigen Wiedener Library (*1). Diese größte Universitätsbibliothek des Landes umfasst imposante 80km Bücherregal – darunter auch ein Exemplar der Gutenberg-Bibel. Von ihrem Treppenaufgang bietet sich ein guter Blick nordwärts hinüber auf die Memorial Church (*2). Dort wurde ich Samstag am Vormittag am Eingang persönlich mit Handschlag begrüßt und zur Teilnahme am Gottesdienst eingeladen. Nett. Weiter ging es Richtung Science Center, das bereits außerhalb des alten Campus liegt, vorbei an Food Trucks, zur wirklich imposanten, im neugotischen Stil erbauten Memorial Hall (früher auch Annenberg Hall genannt, *3) – das m.E. schönste Gebäude in Harvard. Interessanterweise befand sich bis 1924 die John Harvard-Statue vor der Westfassade dieses kirchenähnlichen Baus, der jedoch als Mehrzweckgebäude eine Bühne, eine Speisehalle und das Querschiff als Gedenkstätte der Unionisten zum amerikanischen Bürgerkrieg beherbergt. Es finden sich aber nichtnur historische Gebäude in Harvard, nein, auch die Moderne hat hier in Form eines Baus des berühmten französischen Architekten Le Corbusier oder der visuellen Strenge des Harvard Graduate Centers des Bauhaus-Architekten Walter Gropius Einzug gehalten – nicht umsonst wird hier auch von Harvards „Architekturzoo“ gesprochen – finden sich doch viele unterschiedliche Stile hier dicht in friedlicher Koexistenz nebeneinander wieder. Wir biegen nach der Memorial Hall rechts in die Quincy Street ein, vorbei am Harvard Art Museum des weltberühmten italienischen Architekten Renzo Piano und Le Corbusiers Bauwerk, dem Carpenter Center for Visual Arts und einem schönem Ziegelbau, dem Faculty Club. Genug von Harvard – weiter geht’s via Subway zurück zur zweiten Uni, dem MIT, nur wenige km der Massachusetts Avenue entlang. Ironischerweise heißt die Brücke, die von Boston über den Charles River direkt ins MIT-Areal führt, Harvard-Bridge. Soll so sein ;-). Ich bin am Flussufer entlang geschlendert und der Eindruck vom östlichen MIT-Campus gleicht eher einem Telekommunikations- oder Rüstungsunternehmen (McDermott Court). Auch das bekannteste Bild des MIT – im Kilian Court stehend samt Great Dome im Hintergrund – kann mein Herz nicht gerade erwärmen. Nüchterner Neoklassizismus, der wahrscheinlich nur in abendlicher Illumination aus seiner braungrauen Tristesse erweckt wird. Als Gegensatz gibt es auch ein paar neue, architektonische Highlights zu bewundern, so zB. das Wohngebäude für die Erstsemestrigen, die Simmons Hall von Steve Hall, auch in Österreich als Architekt des Loisiums bekannt geworden oder Frank O. Gehrys  dekonstruktivistisches Stata Center, von dem ich leider nur die Fassade in der Vassar Street wahrgenommen habe. Wenn ich geahnt hätte, was sich da leicht zugänglich „im Hinterhof“ verbirgt! Dieser Gebäudekomplex allein rechtfertigt meinen erneuten Besuch in Boston ;-). Egal wie man zur Architektur steht, hier wird jedenfalls auf Weltklasseniveau in der Technik gelehrt und geforscht. Dies ist ja der eigentliche Sinn & Zweck dieser Einrichtung, auch wenn eine der 5 Fakultäten sich mit Architektur und Raumplanung befasst. Neben dem Schwerpunkt auf Ingenieur-, Natur- und Wirtschaftswissenschaften existieren auch Angebote für Geistes-, Sozial-, Gesundheitswissenschaften, ebenso für Philosophie, Volkswirtschaft, Betriebswirtschaft, Linguistik und Anthropologie. Trotzdem wird das MIT wohl auch in naher Zukunft mit Schwerpunkt Technik in Verbindung gebracht werden, ganz der Tradition, die eng mit technischen Innovationen für den zweiten Weltkrieg als auch für das amerikanische Raumfahrtprogramm verknüpft ist. Für die Informatik besteht mit Richard Stallman, „seinem“ GNU-Projekt samt Softwaretools (emacs, gcc, gdb, …) sowie der Gnu Public License (GPL) und dem Begriff „Hacker“ zum MIT natürlich eine besonders enge Verbindung, da diese Sache am MIT AI-Lab in den 70ern seinen Ursprung hat. Die Hochschule ist zudem Gründungsorganisation und Sitz des World Wide Web-Konsortiums (W3C), des Standardisierungsgremiums für das World Wide Web, untrennbar verbunden mit dem Absolventen und Web-Begründer Tim Berners-Lee. In absoluten Zahlen bei den Studierenden (~11000) umfasst das MIT ziemlich genau die Hälfte der Harvard-Kapazitäten. Ich kann mir aber trotzdem gut vorstellen, dass ein vitales Konkurrenzverhältnis auf Augenhöhe zwischen den beiden benachbarten Elitehochschulen herrscht. Die Liste der Nobelpreisträger, die das MIT hervorbrachte, ist jedenfalls beachtlich lang. Wer ausreichend Zeit mitbringt, sollte unbedingt das MIT-Museum besuchen, das sich ein Stück stadteinwärts entlang der Massachusetts Avenue befindet. Dazu hat es zeitmäßig bei mir nicht mehr gereicht, wollte ich doch noch einen spätnachmittäglichen Spaziergang durch die Bostoner Nobelmeile, der Newbury Street Richtung Trinity Church machen. Harvard und MIT sind also somit auf der Bostoner Besuchsliste abgehakt, die Bilder dazu gibt’s im Boston Cambridge Portfolio.

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